Keine Beobachtung der „Identitären Bewegung“ durch den Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern
Dienstag, 16. August 2016 von Marc Brandstetter
Am Rande der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes für Mecklenburg-Vorpommern wurde heute in Schwerin bekannt, dass die „Identitäre Bewegung“ hierzulande nach wie vor nicht durch den Geheimdienst beobachtet wird. In anderen Bundesländern kamen die Verfassungsschützer zu einem anderen Bewertung. Sorgen bereitet den Behörden die hohe Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten.
Aktion der IB in Mecklenburg-Vorpommern (Foto: Oliver Cruzcampo, Archiv)
Es ist das gewohnte Ritual. Innenminister Lorenz Caffier (CDU) führt im Rahmen der Landespressekonferenz in die Vorstellung des Jahresberichtes der ihm nachgeordneten Abteilung für Verfassungsschutz ein. Ihm zur Seite sitzt der Chef der Schlapphüte, Reinhard Müller, der später einige Fragen der anwesenden Landespresse beantworten wird. Caffier kämpft sich zuvor durch ein neunseitiges Manuskript, und sagt doch wenig Unbekanntes. Ein Schwerpunkt seines Vortrages liegt auf der Entwicklung der Straftaten mit extremistischem Bezug. Diese Zahlen wurden der Öffentlichkeit allerdings bereits im April dieses Jahres bekannt gemacht. Die Zahl der Gewalttaten mit einer rechtsextremistischen Motivation habe sich 2015 nahezu verdreifacht, nämlich von 35 auf 93 Taten, führt der CDU-Politiker aus. Die Höhe der Delikte nennt er „erschreckend“, sie seien Beleg für die Radikalisierung der Szene, die Beobachter bundesweit feststellen. Fast fünf Mal höher liegt sogar die Anzahl der Angriffe auf Unterkünfte für Asylbewerber. Zählten die Behörden 2104 zehn Attacken, waren es im Folgejahr 48.
Oberflächlicher Blick
Eine tiefergreifende Analyse der extremen Rechten bleibt der Landesverfassungsschutz auch 2016 schuldig – und reiht sich damit in die Reihe der anderen Landesbehörden und des Bundesamtes ein, die ebenfalls in ihren Jahresberichten deskriptiv die Geschehnisse der letzten Monate wiedergeben. Im Nachgang der Aufdeckung der rechtsterroristischen Morderserie des NSU hatten Kritiker immer wieder die fehlenden Analysefähigkeit der Ämter angemahnt. Offensichtlich besteht diesbezüglich nach wie vor Nachholbedarf.
An einer Stelle unterscheidet sich der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern von zehn Landesämtern und dem Bundesverfassungsschutz. Auf die „Identitäre Bewegung“ (IB), derzeit wohl der dynamischste Arm der extremen Rechten, hat der Geheimdienst offiziell kein Auge. Erst in der letzten Woche hatte Hans-Georg Maaßen, der Präsident des Bundesamtes, die Beobachtung der Gruppierung bekannt gegeben. Daraufhin hatte die IB über den Kurznachrichtendienst Twitter von einer politischen Maßnahme gesprochen. Heute warnte der Hamburger Verfassungsschutz vor den Aktivitäten der „Bewegung“ und verkündete ebenfalls eine offizielle Beobachtung. Mecklenburg-Vorpommern habe hingegen keine Erkenntnisse über die rund zwei Dutzend Aktive umfassenden IB, die eine Beobachtung rechtfertigen müssten, sagte Müller auf Nachfrage eines Journalisten. Die „Indentitäre Bewegung“ führe „plakative Aktionen durch, die für sich genommen nicht extremistisch sind“, erklärte der Behördenchef zur Begründung. An der Beobachtung des Bundesamtes beteilige sich der Landesverfassungsschutz aber.
Gewaltbereite Szene findet kaum Anschluss
Dessen ungeachtet ordenten die Behörden im letzten Jahr 50 Personen mehr der rechtsextremistischen Szene zu. Gut die Hälfte der in verschiedenen Gruppierungen organisierten 1.450 Personen gilt als gewaltbereit (680 Personen). Die NPD, der von den Verfassungsschützern die politische Führungsrolle der hiesigen Szene zugesprochen wird, stagniert trotz der bevorstehenden Schicksalswahl bei 340 Parteibüchern.Obwohl sich die extreme Rechte breiter aufstellt und mit vielfältigen Aktionsformen in Erscheinung tritt, mobilisierten rechtsextremistische Parteien oder Organisationen wie die „MV Patrioten“, „Deutschland wehrt sich“ oder die von der NPD gesteuerten MVGIDA in Mecklenburg-Vorpommern kaum sogenannte Wutbürger – trotz entsprechender Einstellungen in der „Mitte der Gesellschaft“. Dort scheint vielmehr die Alternative für Deutschland angekommen, die ihrerseits nicht im Fkous der Verfassungsschutzbehörden steht.
Sieben Musikveranstaltungen zählten die Schlapphüte darüber hinaus, zwei weitere Konzert wurden im Vorfeld verhindert. Viele der zehn bekannten Neonazi-Bands, etwa „Thrima“, „Skalinger“ oder „Painful Awakening“, sind als Urgesteine fest etabliert und gehören seit vielen Jahren zur Rechtsrock-Bewegung.
Quelle: Endstation rechts